-Auszug MainPost-
Bayerischer Archivtag: Blick zurück und nach vorn - Schweinfurt
Am 8. und 9. Mai kommt der Bayerische Archivtag in Schweinfurt zusammen
Foto: Wiedemann
Der bayerische Archivpreis Janus, gestaltet von Herbert Mehler.
Foto: Stadtarchiv Schweinfurt
Gezeichnet von Kaiser Max I. am 6. Februar 1515: Die Genehmigung des Vertrags zwischen Stadt und Gemeinde Schweinfurt zur Regelung der Stadtverfassung nach dem Aufstand von 1513/14. Das Motiv wird die Stofftaschen des Bayerischen Archivtags in Schweinfurt zieren.
Foto: Stadtarchiv Schweinfurt
Gültig bis zum Ende der Reichsstadtzeit: der Vertrag zwischen Stadt und Gemeinde Schweinfurt zur Regelung der Stadtverfassung nach dem Aufstand von 1513/14, 3. Juni 1514.
Den angekündigten Umzug des Bayerischen Staatsarchivs von Würzburg nach Kitzingen beurteilt die Politik überwiegend positiv, in Archivarkreisen allerdings sieht man die Verlagerung weg aus zentraler Lage und aus Uni-Nähe weitaus kritischer. Mit einer Stellungnahme in diese Richtung ist wohl dennoch kaum zu rechnen, wenn am 8. und 9. Mai in Schweinfurt der 9. Bayerische Archivtag stattfindet.
Denn der Vorgang hat einerseits auffällig wenig öffentliches Aufsehen erregt, andererseits lautet das Thema diesmal „Archivgut digital. Zur Digitalisierung von analogem Archivgut“. Und Digitalisierung kann – zumindest teilweise – bedeuten, dass der tatsächliche Standort eines Archivs an Bedeutung verliert. So lautet eines der Themen „Digitalisierung zur virtuellen Zusammenführung zerrissener Bestände“. Für solch zerrissene Bestände gibt es prominente Beispiele: Nach der Besitzergreifung der bis dahin Freien Reichsstadt Schweinfurt 1802 hat der bayerische Staat alle kaiserlichen Rechtstitel und Privilegien mit nach München genommen. Inzwischen lagern sie im Staatsarchiv Würzburg.
Träger und Veranstalter der Tagung ist der Bayerische Archivtag, ein 1998 gegründeter Arbeitskreis von Vertretern öffentlicher und privater Archive, den nach außen die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns und das Stadtarchiv München vertreten. Der Bayerische Archivtag kommt alle zwei Jahre zusammen, sein Ziel ist es, „in der vielfältigen bayerischen Archivlandschaft den fachlichen Austausch und die Zusammenarbeit über die Grenzen der Archivsparten hinweg zu verstärken“, so die Ankündigung.
Tatsächlich gibt es im Freistaat eine Fülle unterschiedlicher Archive: staatliche, kommunale, kirchliche, private und Adelsarchive, Firmenarchive und die Archive von Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen – sie alle mit unterschiedlichen Beständen und unterschiedlicher personeller und finanzieller Ausstattung. Das kann der aufsehenerregende Neubau des Landeskirchlichen Archivs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (LAELKB) sein. Das kann ein Firmenarchiv wie das von BMW sein, das nicht zuletzt für Sammler oder Oldtimerfans wichtige Anlaufstelle ist. Und das können die vielen kommunalen Archive sein, die in kleineren Gemeinden meist von Ehrenamtlichen betreut werden. Denen wiederum stehen in Bayern sogenannte Archivpfleger zur Seite, auch sie ehrenamtlich. Im Landkreis Schweinfurt mit seinen 29 Gemeinden und über 100 Gemeindeteilen sind das Irene Handfest-Müller für den Norden und Hilmar Spiegel für den Süden. Nicht selten verwahren auch diese Archive wertvolle Dokumente bis zurück ins 16. Jahrhundert.
Die kirchlichen Archive sind vor allem für Ahnenforscher von Bedeutung, denn ein staatliches Standesamt gibt es erst ab 1876. Alle Geburten, Hochzeiten und Sterbedaten früherer Jahrhunderte sind in den Kirchen- und Familienbüchern verzeichnet, die meist bis in die Reformationszeit zurückreichen.
„Die Familienforschung boomt“, sagt der Schweinfurter Stadtarchivar Uwe Müller. „Für manche Archive bedeutet das richtige Einnahmen.“ Manchen Ahnenforschern gelingt es, ihre Wurzeln bis ins 12. Jahrhundert zu verfolgen. Längst gibt es kommerzielle Firmen, die die Recherchen übernehmen – unter ihnen seriöse ebenso wie Betrüger, sagt der Stadtarchivar. Oft allerdings erschwert inzwischen die Zusammenlegung von Pfarreien und die geringere Zahl an Pfarrern die Forschungen.
Auch der Datenschutz kann ein Hindernis sein: Bis in die 1970er-Jahre wurden die Standesamtsregister auf Meldekarten geführt. Auf denen steht – dauerhaft – alles, was ein Forscher wissen möchte. Bereits seit den 1980er-Jahren aber werden diese Daten elektronisch verfasst. Und da greifen dann neuere gesetzliche Regelungen: Kinder müssen, sobald sie 18 Jahre alt werden, aus dem Datensatz gestrichen werden – für den Ahnenforscher entstehen Lücken, die weitere Recherchen nötig machen. Ein weiterer wichtiger Bereich sind Nachlassfragen: „Wir bekommen täglich Anfragen von Erbenermittlern“, sagt Uwe Müller.
Am Freitag treffen sich zunächst die Fachgruppen untereinander, bevor am Samstag die Arbeitssitzungen der rund 200 Teilnehmer stattfinden. Dass dabei nicht immer alles alle gleichermaßen betrifft, liegt in der Natur der Sache: „Für die Großen wird manches zu läppisch sein, und manche Kleinen werden anmerken, das gehe jetzt über ihren Kopf hinweg“, sagt Uwe Müller.
Ein Thema lautet „Nutzung von Digitalisierung zur Arbeitserleichterung“. Der Titel erklärt sich selbst, allerdings ist diese Arbeitserleichterung wesentlich davon abgängig, wie differenziert das Archivgut erfasst ist. Ein Kirchenbuch, dessen Seiten einfach nur eingescannt sind, muss der Nutzer am Bildschirm ebenso durchblättern wie die Papierversion. Sind aber die Einträge jeweils einzeln erfasst (ein Aufwand, der sich in den seltensten Fällen wird rechtfertigen lassen), kann er gezielt nach Daten oder Namen suchen.
„Digitalisierung als Maßnahme der Bestandserhaltung“, ist ein weiterer Vortrag überschrieben. Auch hier liegt der Nutzen auf der Hand: Je weniger empfindliches Archivgut berührt, bewegt und dem Licht ausgesetzt werden muss, desto leichter lässt es sich schützen. Weitere Themen sind die Qualitätssicherung bei der Zusammenarbeit mit externen Scan-Dienstleistern oder rechtliche Probleme bei der Digitalisierung. Oft lässt sich nicht mehr feststellen, wo die Urheber- beziehungsweise Nutzungsrechte etwa bei historischen Fotos liegen. Und wenn Archive deren Digitalisate herausgeben, haben sie keinerlei Einfluss mehr darauf, wo und von wem diese Bilder dann veröffentlicht werden. Es gibt Motive, die sich ohne Rücksicht auf etwaige Urheberrechte lawinenartig im Internet verbreiten, beobachtet Stadtarchivar Uwe Müller immer wieder.
Am Freitag, 8. Mai, wird außerdem im Rahmen eines Festakts in der Rathausdiele der Bayerische Janus verliehen, der Anerkennungspreis für herausragende Leistungen um das Archivwesen. Der Preis geht an Prof. Dr. Godehard Ruppert, Präsident der Uni Bamberg. Gestaltet wird er jeweils von einem anderen Künstler, diesmal von Herbert Mehler. Janus ist der doppelköpfige römische Gott, der gleichzeitig in die Vergangenheit und in die Zukunft blickt – idealer Gewährsmann also für Archivare.